40 Jahre – FAQs


Sind für dieses Jahr noch Feierlichkeiten anlässlich eures 40. Vereinsgeburtstages geplant? Wenn ja, welche?
Wir laden im Spätsommer unter anderem zu einem Sektempfang in Berlin in unsere neuen Büroräume in der Pappelallee ein. Geplant ist auch eine Konferenz für Herbst 2022. Die Corona-Pandemie hat leider einige unserer Pläne verlangsamt und wir müssen uns, wie andere Vereine auch, erst wieder im Hinblick auf Präsenzveranstaltungen neu orientieren. Angedacht ist eine hybride Veranstaltung, aber auch hier werden letztlich unsere Ressourcen und ehrenamtliche Arbeitskraft entscheiden. Wir empfehlen sehr, unseren Newsletter über unsere Website zu abonnieren, um rechtzeitig informiert zu werden.
Der Verein gründete sich 1982. Wie hat er sich entwickelt, zum Beispiel mit Blick auf die Wiedervereinigung und die Einbindung von Frauen aus dem Osten? Oder auch seit Ihr den neuen Vorstand habt, der aus euch Vieren besteht? Und überhaupt, welche einschneidenden Erlebnisse/Erfahrungen veränderten die Vereinsarbeit bzw. Mitfrauenzahlen etc.?
Wir aktuell amtierenden Vorständ*innen waren in der Zeit noch nicht im LesbenRing aktiv, obwohl einige von uns bereits seit den 1990ern Mitglieder sind. Aber natürlich beschäftigen wir uns, neben allen aktuell anstehenden Themen, auch mit der Vereinsgeschichte. Allerdings ist hier auch noch einiges aufzuarbeiten, da insgesamt die Dokumentationslage sehr dünn ist. Durch die vielen Wechsel über die Jahrzehnte hinweg, konnte nie ein zentrales Archiv aufgebaut werden, weder analog noch digital. Es liegen in mehreren Frauen- und Lesbenarchiven wichtige Dokumente, die zusammengetragen werden müssen.
Wir selbst haben 2019 mit einigen wenigen Umzugskisten mit Aktenordnern und veralteten Flyern fast wieder neu anfangen müssen. Jetzt haben wir ein Büro in Berlin und werden in der kommenden Zeit zusammen mit Kooperationspartnerinnen aus der Geschichtswissenschaft ein Dokumentations- und Aufarbeitungsprojekt entwickeln und in Auftrag geben. Auch hier sind wir mitten in der Drittmittelakquise.
Erstmals ein Büro / Geschäftsstelle
Das neue Büro ist übrigens in Prenzlauer Berg, in Laufnähe zum Sonntagsclub, und sowohl im Vorstand als auch im Fachbeirat sind einige mit DDR- bzw. Wende-Biografien. Damit hat der LesbenRing, auch wenn er als Verein noch in Heidelberg residiert, erstmals ein Büro im Osten Deutschlands.
Der aktuell amtierende Vorstand und der Fachbeirat: von links nach rechts: Marion Lüttig (Vorstand), Hedy Gerstung (Vorstand), Constanze Körner (Fachbeirat), Kathrin Schultz (Vorstand), im Fenster Ina Rosenthal (Vorstand) und Stephanie Kuhnen (Fachbeirat)
Vorstandswahlen 2019
Eine große Veränderung brachten die Vorstandswahlen 2019 mit sich. Damals bestand der Vorstand nur noch aus zwei Lesben und sehr wenigen aktiven Mitgliedern. Er stand knapp vor der Auflösung. Wir wurden zum Teil direkt angesprochen, dies mit einer Kandidatur zu verhindern. Zu dieser MV 2019 in Berlin kamen gerade einmal 9 Mitglieder. In den Jahren davor waren es zum Teil noch weniger.
Ehrenamtlich Aktive
Nicht mehr alle dieser Personen, die sich 2019 damals bereit erklärten hatten, den LesbenRing wiederzubeleben, sind heute noch dabei, aber Marion Lüttig, Hedy Gerstung und ich, Kathrin Schultz, sind es. Hinzu kamen unsere Fachbeirätinnen Stephanie Kuhnen und Constanze Körner und Webdesignerin Konny Gerhard, alles auch Aktivistinnen mit jahrzehntelanger Erfahrung und Expertisen in unterschiedlichen lesbenpolitischen Fachgebieten. Neu hinzugekommen als Vorständin ist 2021 Ina Rosenthal, die wir ebenfalls als sehr große Bereicherung empfinden. Durch die politische Wiederbelebung konnten wir viele Neumitglieder – Einzelpersonen wie Vereine – gewinnen. Dazu gehören auch Vereine, zum Teil Neugründungen, mit deutlich jüngeren Mitgliedsstrukturen und Neumitglieder U30, was uns persönlich sehr freut, weil wir von ihnen auch viele wichtige Anregungen und Impulse erhalten, die uns mehr mit den Lebensrealitäten jüngerer Lesben* verbinden. Zur MV 2021 reisten über 30 Mitglieder und Delegierte von Stuttgart bis Kiel an. Das freut uns natürlich sehr, weil uns eine Wiederbelebung dieses wichtigen Vereines damit gelungen ist. So viele Mitglieder – ohne die Pandemie wären es wesentlich mehr gewesen – waren schon seit sehr vielen Jahren nicht mehr bei MVVs.
Viel organisatorische Grundlagenarbeit
In den ersten beiden Jahren mussten wir sehr viel strukturelle Grundlagenarbeit leisten, von der Buchhaltung bis zu einer internen und externen Kommunikationsstruktur. Wir mussten Fördermittel akquirieren, beispielsweise um eine neue Website zu gestalten, Flyer und Werbemittel herzustellen, neue Verteiler aufzubauen und alte zu aktualisieren. All das gab es bei der Übergabe nicht mehr. Nach einer gründlichen Recherche zur Bekanntheit des LesbenRing innerhalb der LSBTIQ* Vereinen und Initiativen in Deutschland und darüber hinaus, mussten wir feststellen, dass der LesbenRing nur noch sehr wenigen ein Begriff war und er nicht mehr zu den wichtigen Akteurinnen gezählt wurde. So haben wir auch das Logo selbst einer modernen Bildsprache angepasst und uns überall neu vorgestellt. Wir wurden mit offenen Armen empfangen und sind nun sehr gut vernetzt und werden viel angefragt, uns an aktuellen politischen Debatten zu beteiligen und eine lesbische Perspektive dazuzugeben.

Wie hat sich der Verein/die Vereinsarbeit seit 2019, seit also die meisten der derzeitigen Vorstandsfrauen ihre Arbeit aufnahmen, verändert? Was habt Ihr bewegt? Was hat sich verbessert?
Wir investieren viel Zeit in eine gesteigerte Öffentlichkeitsarbeit. Wir veröffentlichen regelmäßig Pressemitteilungen und Newsletter und beteiligen uns aktiv an lesben- und queerpolitischen Kampagnen wie beispielsweise zum Abstammungsrecht und der Erweiterung des Grundgesetzes Artikel 3. Auch nutzen wir intensiv die Sozialen Medien, um unsere Arbeit, Netzwerke und Positionen sichtbar zu machen. Das war vorher nicht der Fall.
Aber auch in verschiedenen Arbeitsgremien und auf Podien und Symposien und Kongressen deutschlandweit und auch europaweit/international sind wir vertreten, und bauen dies immer weiter aus. Da die Vielzahl der Veranstaltungen, auf denen der LesbenRing vertreten sein soll, allmählich auch die aktuell vorhandenen Kapazitäten übersteigt, konnten wir Mitglieder mit passenden Expertisenthemen gewinnen, den LesbenRing zu vertreten.
Dass wir in den knapp drei Jahren so effizient unsere Kräfte bündeln konnten, hat ironischerweise auch mit der Corona-Pandemie zu tun. Obwohl wir in unterschiedlichen Städten leben, konnten wir durch regelmäßige Arbeitstreffen online eine Arbeitsteilung entwickeln und stehen alle in nahem Austausch. Sowohl der Vorstand, als auch der Fachbeirat arbeiten ehrenamtlich. Durch die Zoom-Treffen blieben uns der Reiseaufwand und größere Terminfindungsprobleme erspart. Dafür konnten wir uns aber zum Teambuilding, Arbeitsorganisationsplanung, Vernetzen und zur Weiterbildung an zwei Wochenenden in Tagungshäusern treffen.
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Wie wichtig ist der LesbenRing heute für das Leben und das Selbstverständnis von Lesben?
Wichtig ist es nach wie vor, dass Lesben* in ihren Anliegen vertreten und wahrgenommen werden und nicht einfach als die „anderen Homosexuellen“ untergebuttert werden. Vieles ist noch gar nicht erreicht, besonders nicht für Lesben*. Dafür machen wir uns stark und setzen Themen, bringen Expertisen ein und intervenieren auch bei Benachteiligungen und Diskriminierungen. Denn auch das ist Teil unserer „Lobby“-Arbeit: Wir unterstützen nicht nur, sondern widersprechen auch, wenn Lesben* benachteiligt werden. Wie das jede Lesbe* für ihr persönliches Selbstverständnis nutzt, muss sie letztlich selbst entscheiden.
Soweit ich (die Interviewerin) gesehen habe, vertritt der Dachverband des LesbenRing die lesbischen Interessen im Deutschen Frauenrat neuerdings nicht mehr? Ist das so, und wenn ja, warum ist das so gekommen?
Nein, das stimmt nicht. Ein seltsames Gerücht. Das absolute Gegenteil ist der Fall. Besonders mit dem Deutschen Frauenrat verbindet uns eine nahe Zusammenarbeit, die wir in den letzten zwei Jahren sogar sehr intensiviert haben. Wir stehen in sehr nahem Expertisenaustausch und sind gut vernetzt. Auch die Zusammenarbeit durch den Sitz im Fachbeirat der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld konnte deutlich verbessert werden. Auch hier bringen wir unsere thematischen Perspektiven gut und auch kritisch ein.
Der LesbenRing ist in den 80ern aus der feministischen Frauenbewegung entstanden. Wie feministisch seht Ihr euch heute?
Die Welt hat sich in vier Jahrzehnten sehr verändert und auch die feministische Kernthemen haben sich pluralisiert. Selbstverständlich sind wir nach wie vor ein feministischer Verein. Anders ist eine Fürsprachepolitik für Lesben* auch gar nicht möglich. Wir vertreten jedoch sehr deutlich ein intersektionales Verständnis von Lesben*politik und erkennen an, dass Lesben* nicht alle gleich situiert und abelisiert sind, unterschiedliche Herkunftsbiografien haben, auch migrantisiert und/oder rassismus- oder antisemitismusbetroffen sind, religiös oder säkular leben, nicht alle Lesben* stimmen ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht zu, sind nicht-binär, trans oder intergeschlechtlich, nicht alle befinden sich im selben Lebensalter, nicht alle haben sich für eine Mutterschaft entschieden. Wir haben die unterschiedlichen Teilhabebarrieren im Blick, die ein gewaltfreies und selbstbestimmtes lesbisches Leben strukturell verunmöglichen. Lesbenfeindlichkeit ist ein komplexes, strukturelles Problem mit vielen Barrieren. Und danach formulieren wir auch unsere Themensetzungen aus und richten sie an die entsprechenden Adressen.
Beispielsweise verwenden wir seit 2019 das „Sternchen“ und führen es auch im Logo. Wir bekennen uns damit dazu, dass Lesben* nicht alle gleich sind und wir mit unseren Unterschiedlichkeiten aber solidarisch umgehen und diese willkommen sind. Differenz bereichert uns ja.
Da der Sitz des Vereins in Heidelberg und die Geschäftsstelle in Berlin ist, scheint der LesbenRing zumindest was die offizielle Präsentation angeht, eher westzentriert zu sein. Ist das so, oder würdet Ihr sagen, dass Lesben aus dem Osten inzwischen in Zielsetzungen und Bestrebungen hinsichtlich lesbischer Sichtbarkeit, Gleichstellung und Vielfalt mit einbezogen werden konnten?

Der Vereinssitz ist weiterhin in Heidelberg. Das soll aus historischen Gründen auch erstmal so bleiben. Ein Großteil der aktuellen Vorständ*innen und Beirät*innen wohnt aber in Berlin und München. Hier ist also durchaus eine örtliche Verschiebung zu erkennen, allerdings in Richtung Hauptstadt, im Osten Deutschlands gelegen. Da ist es natürlich unsere Aufgabe, nicht zu Berlin-zentriert zu arbeiten. Letztlich sind wir aber auch ein bundesweiter Verein, der auch lesbenpolitischen „Lobbyismus“ betreibt, daher macht es mehr als Sinn, stark in der Hauptstadt vertreten zu sein, denn hier haben wir direkte Verbindungsmöglichkeiten zu Politiker*innen und Regierungsvertreter*innen, und was auch für uns zunehmend wichtig wird sind große Verbände, Ministerien und Botschaften.
Ich (Kathrin Schultz, Vorstand) denke, Ost-Themen und -Perspektiven sind mittlerweile sehr gut vertreten, u.a. durch den Mitverein LesLeFam e.V. (sowie Projektleitung Constanze Körner als Fachbeiratsperson), ein Verein, der seit 2019 als einziger Verein lesbische Interessen vor allem in den Ostbezirken Berlins vertritt. In den kommenden Monaten werden auch noch weitere Vereine aus den neuen Bundesländern hinzukommen, entweder als Kooperationspartnerschaften oder als Mitgliedsvereine. Da sind wir noch in Gesprächen.
Aber auch mir sind Ost-Themen ein großes Anliegen. Ich komme selbst aus MeckPom, lebe seit 1998 in Berlin, war aber auch viele Jahre im Bundesland Brandenburg sowie in Sachsen und Thüringen politisch aktiv und kenne daher die Strukturen der Ost-Bundesländer sehr gut und kenne auch die großen Unterschiede in der Ressourcenverteilung.
Und wie sieht es mit der Vernetzung mit und Einbindung von Lesben auf dem Land aus? Gibt es Ambitionen, Lesben außerhalb der Ballungszentren und Metropolen mit ins Boot zu holen? Wie sieht deren Interessenvertretung aus?

Es wird in absehbarer Zeit eine Arbeitsgruppe „Lesben in ländlichen Räumen“ geben. Erste Anfänge sind gemacht. Dazu sind wir auch im Dialog mit dem BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Ich bitte da auch um etwas Geduld.
Wir sind alle Ehrenamtler*innen und haben vor 2 ½ Jahren mitten in einer Pandemie mit einer Hand voll Aktenordnern angefangen und konnten da nicht auf vorhandene Strukturen zurückgreifen. Einige unserer neuen Mitvereine sind aber sehr gut in ländlichen Gebieten tätig und bringen ihre Erfahrungen und Netzwerke mit ein. Letztlich ist es unsere Aufgabe als LesbenRing uns an den entsprechenden Stellen dafür stark zu machen, dass diese Vereine und Initiativen aus den ländlichen Räumen auch entsprechend mit Fördermitteln ausgestattet und ihre Anliegen und Bedarfe politisch berücksichtigt werden.
Welche Themen und Bestrebungen stehen im LesbenRing heute im Vordergrund/sind den Mitgliedern und Vorständinnen heute besonders wichtig?
Debatten um Teilhabe, Sicherheit, Gewaltfreiheit, Anerkennung und Solidarität sind – neben einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit und dem Stärken von Strukturen – mit das Wichtigste. Und zwar auch über den deutschsprachigen Raum hinaus. Daher versuchen wir auch, im Rahmen unserer Möglichkeiten, uns in internationalen Zusammenhängen einzubringen wie z.B. bei Treffen der ILGA oder anderen europäischen Vereinen und Initiativen wie der European Lesbian* Conference EL*C, mit denen wir uns regelmäßig austauschen und vernetzen.
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