Erstmals wird der queeren Opfer gedacht

Berlin/Heidelberg, 25.01.2023. Der LesbenRing begrüßt, dass am 27. Januar 2023 zum ersten Mal den queeren Opfern des Nationalsozialismus öffentlich im Deutschen Bundestag gedacht wird. Dies ist ein wichtiges Zeichen der Anerkennung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen als Opfer und Verfolgte der NS-Diktatur. Dieses Gedenken ist ein deutliches Signal an die Politik sowie an die Zivilgesellschaft, dass Homosexuellen- und Transfeindlichkeit keinen Platz in einer modernen Demokratie haben.

Anlass des jährlichen Gedenkens ist die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Dazu Vorständin Ina Rosenthal:

“Dass der queeren und somit auch lesbischen Opfer erst nach 78 Jahren im Bundestag gedacht wird, zeigt leider auch die Kontinuitäten und Wirkmächtigkeit der nationalsozialistischen Politik bis weit in die Gegenwart. Umso mehr freut uns als LesbenRing e.V., dass dieses Gedenken 2023 nun endlich möglich ist. Unser Dank gilt zuerst all den Aktivist*innen und Verbündeten, die jahrzehntelang für diese Anerkennung auch gegen Anfeindungen hinweg dafür gekämpft haben!”

Unbenommen der symbolischen Signalwirkung dieses wichtigen staatlichen Gedenkens darf jedoch nicht übersehen werden, dass Gewalt gegen queere Menschen wieder zunimmt und homo- und transfeindliche Haltungen als “Meinungen” legitimiert werden: nicht nur in der Gesamtgesellschaft, sondern auch innerhalb der Politik und das auch parteiübergreifend. Dem entgegenzuwirken ist auch Aufgabe jeder einzelnen Person innerhalb der Zivilgesellschaft. Hierfür benötigt es Wissen und Bildung. Der LesbenRing e.V. sieht sich in der Pflicht und wird sich auch zukünftig dafür einsetzen, dass die Verfolgungs- und Diskriminierungsgeschichte von Lesben* erforscht und wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Dieses Wissen muss im kollektiven Gedächtnis um die Verbrechen an marginalisierten Menschen verankert werden, vermittelt durch wissenschaftliche Publikationen, Schulbücher, Museen und an Gedenkorten.

Dazu die Fachbeirätin für Erinnerungskultur, Stephanie Kuhnen:

“Wir sind noch lange nicht bei einem ‘Nie Wieder!’ angekommen. Viele der Zeitzeug*innen, die über ihre Geschichte hätten Auskunft geben können, leben nicht mehr. Sie haben geschwiegen oder wurden nicht befragt, weil Homosexuellen- und Transfeindlichkeit fortbestehen konnten. Für sie kommt diese Anerkennung zu spät. Als LesbenRing besorgt uns die prekäre Situation der Archive, Wissensproduktion und -vermittlung besonders. Dass im Bundestag nun auch gleichwohl sichtbar mit anderen queeren Verfolgten und Ermordeten den Lesben* gedacht wird, darf nur ein Anfang sein. Denn es geht in der Vergangenheitsaufarbeitung um nichts Geringeres als die Zukunft einer gesamten Gesellschaft und die Frage, wer wollen wir heute sein?”

Stellvertretend für den LesbenRing e.V. werden Vorständin Ina Rosenthal und Fachbeirätin Stephanie Kuhnen sowohl bei der Gedenkstunde im Bundestag als auch bei den Kranzniederlegungen am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen und dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma teilnehmen. Beide Vertreterinnen stehen vor Ort auch für Pressefragen zur Verfügung.

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Über den LesbenRing e.V.

Der LesbenRing e.V. ist ein bundesweiter Verein für Lesben*, Lesben*gruppen und Organisationen mit Sitz in Heidelberg und Geschäftsstelle in Berlin. Der LesbenRing e.V. wurde 1982 gegründet. Heute ist der LesbenRing e. V. der bundesweite Dachverband für lesbische* Frauen, Lesben*gruppen und Organisationen. Der LesbenRing hat Sitz und Stimme im Deutschen Frauenrat, ist im Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vertreten und ist Mitgliedsorganisation der ILGA (International Lesbian and Gay Association) sowie Gründungsmitglied der Eurocentralasian Lesbian* Community (EL*C), dem lesbisch-feministischen und intersektionalen Netzwerk.

Zur Schreibweise: Lesben*

Der Stern (*) will das große Spektrum lesbischer Lebens- und Liebesweisen sichtbar machen. Dazu zählen auch bi- und pansexuelle cis- und trans* Frauen, trans* Lesben sowie Non-Binäre und Queers. Um diese Vielfalt lesbischer Lebensformen sichtbar zu machen, nutzt der LesbenRing e.V. die Schreibweise “Lesben*”.

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